Ein Blick hinter die Kulissen des legendären Soundtracks mit Chris Vrenna von Nine Inch Nails

Von: id Software

SC_Vrenna_HERO_1920x870.png

Ganz primitiv gesagt: Quake ist ein Videospielpionier. Der im Jahr 1996 veröffentlichte Ego-Shooter verschob mit Echtzeit-3D-Rendering die Grenzen der Gaming-Technologie, erweitere Online-Multiplayer mit heute alltäglichen Modi wie Capture the Flag und brannte sich mit seiner stimmungsvollen Gothic-Horror-Ästhetik in die Köpfe der Spieler. Doch wenn man über die Atmosphäre von Quake spricht, kann man nicht ein weiteres bedeutendes Vermächtnis dieses Spiels außer Acht lassen: seinen Soundtrack.

Der von Trent Reznor und Chris Vrenna von den Nine Inch Nails geschaffene Quake-Soundtrack ist finster, industriell und auf erschreckende Weise subtil. Er gab nicht nur den Ton von Quake an, er wies auch den Weg in das Zeitalter von Soundtracks in CD-Qualität, die wie Studioalben komponiert werden - weit weg von der damaligen programmierten MIDI- und 8-Bit-Musik.

Wir freuen uns, euch hier ein Interview mit Chris Vrenna präsentieren zu können, das Kevin Keating von San Francisco Bay Area Concerts geführt hat. Noch mehr Lesestoff findet ihr in diesem Artikel. Aber jetzt lasst uns erst mal beleuchten, wie der Soundtrack, der die Videospielmusik für immer verändert hat, entstanden ist.

SC Vrenna drums1 in-body

KEVIN KEATING: Wie kam der Kontakt von Nine Inch Nails mit id bezüglich des Quake-Soundtracks zustande?

CHRIS VRENNA: Da müssen wir bis ins Jahr 1993 zurückgehen. Trent und ich waren nach Los Angeles gezogen und lebten in dem berühmten Sharon-Tate-Haus, wo wir die EPs „Broken“ und „Fixed“ fertigstellten und mit der Arbeit an „The Downward Spiral“ begannen. Damals war Trent ein riesiger Gamer. Wir waren so angefixt von Ego-Shooter-Spielen – und das waren damals ja eigentlich die ersten Ego-Shooter.

Wie auch immer, wir arbeiteten an „Downward Spiral“, wir waren im Tate-Haus, wir hatten dort einen PC und „Wolfenstein 3D: Spear of Destiny“ war gerade erschienen. Das wurde für etwa einen Monat lang zu unserer Sucht, und jeden Morgen standen wir auf, holten uns eine Tasse Kaffee und spielten das nächste Level! Trent spielte und ich lotste ihn – das ging dann so: „Nein, nein, nein, du musstest den rechten Gang runter.“

„Downward Spiral“ wurde schließlich fertig und erschien, und wir gingen auf Tour. Trent hatte damals sogar zwei PCs (ich glaube, es waren 486er), und wir stellten einen in den vorderen Aufenthaltsbereich im Tourbus und den anderen in den hinteren und legten ein Kabel durch den ganzen Bus, damit wir gegeneinander Deathmatch spielen konnten. Trent sprach in Interviews darüber und irgendwie fanden die Jungs von id heraus, was für ein Riesenfan er war. Trent und ich flogen nach Dallas, um sie alle dort zu treffen. Wir gingen Abendessen, und das war einfach nur ein Haufen Nerds – berühmte Nerds mit zu viel Geld – und sie fragten uns, ob wir nicht was für dieses neue Spiel namens Quake machen wollten, an dem sie gerade arbeiteten ...

Dann erschien das Spiel, und eine der Waffen, die sie dafür entwickelt hatten, war die Nail Gun, und wenn man Munition aufhebt, dann sieht man das NIN-Logo auf den hölzernen Munitionskisten. Das war ihre Art, Nine Inch Nails in das Spiel einzubinden. Das war so eine dieser Kollaborationen aus einem besonderen Moment heraus – zwei Parteien, die sich gegenseitig respektieren und das lieben, was jeweils die anderen machen, und irgendwie hat sich das dann eben so ergeben. So ist das Ganze entstanden, einfach nur eine Handvoll Fanboys.

SC Vrenna studio in-body

KK: Wie unterschied sich das Schreiben und Komponieren für Quake von der NIN-Arbeit?

CV: Spielemusik ist auf verschiedenen Ebenen herausfordernd. Es handelt sich um keine traditionellen Songs, es ist also nicht Strophe-Refrain-Strophe. Es gibt auch keine Songtexte, alles ist Instrumentalmusik. Für uns war das damals neu.

Die andere Sache an Spielemusik ist, dass man beim Spielen die Soundeffekte hören können muss, und diese Effekte sagen einem viel über das, was gerade im Spiel abgeht. Wir lernten viel darüber, wie sich die Musik innerhalb der Grenzen anderer Sounds bewegen muss, die für das Spielen des Spiels benötigt werden, damit dir nicht sofort der Arsch weggeballert wird. Das ist Teil eins unserer Hinwendung zur Spielemusik.

Der andere Teil ist, dass sich die meiste Musik in diesen Spielen einfach wiederholt wird. Heutzutage kann die meiste Musik aus 24-bit-WAV-Dateien mit voller Wiedergabetreue bestehen, aber damals, in den 1990ern, war RAM heiß begehrt. Ich erinnere mich daran, dass, als wir loslegten, das ein Problem war, weil bis dahin so ziemlich alles Chip-Musik war. (Nennen wir das mal so, ich weiß nicht, wie sie die damals genau machten.) Was sollten wir da machen, einfach nur einen Drone-Sound eine Sekunde lang? Das würde nicht funktionieren. Und ich glaube, der Kompromiss war dann, dass id die Musik auf die Disc packen würde, aber sie müsste von der Disc gestreamt werden. Wir hätten nicht die Möglichkeit, sie in den Speicher zu laden. Aber Trent meinte, „das ist okay, mich juckt das nicht, tut, was auch immer ihr tun müsst“. Die Musik würde also auf nur der CD sein und die Spieler würden die CD im Laufwerk haben müssen, um die Musik hören zu können. Ich erinnere mich, wie Trent meinte, dass es niemals sowas wie Nine Inch Nails geben würde, wenn man bezüglich der musikalischen Möglichkeiten an dem festhalten würde, was früher getan wurde. Es war ein Durchbruch, weil man irgendwie ein instrumentales Ambient-Album von Nine Inch Nails hörte, das extra dafür gemacht war worden, zu diesem Spiel zu erklingen.

Die dritte Herausforderung war, thematisch etwas zu erschaffen, das eine Stimmung für das Spiel schaffen würde und das zu einem künstlerischen Aspekt wird. Das war der spaßige Teil, das Experimentieren mit Drones und Sounddesign-Zeug und echten Deformationssounds, alles klang einfach nur verstümmelt, um das Gefühl und die Stimmung zu schaffen, die wir haben wollten.

KK: War euch damals bewusst, dass diese brandneue, originale Musik den Rahmen dessen sprengen würde, was man von Videospielmusik erwarten?

CV: Nein, kein bisschen. Wir haben das nur gemacht, weil wir es für verdammt cool hielten, und wir liebten id einfach! Wir dachten einfach, „Mann, wenn wir mit den Jungs, die Wolfenstein und DOOM gemacht haben, befreundet sein könnten. Das wäre der Hammer!“

SC Vrenna drums2 in-body

KK: Erinnerst du dich an interessante Geschichten zu den Sounds, die ihr verwendet habt?

CV: Oh Mann, viele dröhnende Gitarren. Wir haben die Gitarren durch Pedale und verschiedene Arten von Effekten laufen lassen und sogar durch die Synthesizer wie den Mini-Moog, der einen Audio-Eingang besitzt. Eine Menge Synthis haben einen Eingang, um externe Sounds über den Filter-Bereich des analogen Synthesizers zu verarbeiten, wodurch eine Menge von dem schrägen Drone-Zeug auf diese Weise entstand.

Effektreichtum war schon immer irgendwie ein Nine-Inch-Nails-Ding. Der Einsatz zahlloser interessanter und esoterischer Effekte, die wir in die Finger bekommen. Wir verwendeten den Zoom 9050, der eine Geheimwaffe für die damaligen Gitarrensounds auf „Downward Spiral“ waren – superverarbeitet und superdigital. Trent war nie so affektiert à la „oh, ich brauche ein Marshall-Stack mit einem Röhrenverstärker“, er war eher so: „Ich scheiß auf den Röhrenverstärker“ und ging direkt ins Pedal, direkt ins Board und ließ es dabei bewenden. „Perfekt!“

Wir machten auch eine Menge bizarrer Samples und drehten sie einfach durch die Mangel. Einmal während Mardi Gras gab Trent mir ein tragbares DAT-Gerät und ein Stereo-Handmikrofon und meinte, ich soll einfach einen Tag lang losziehen und Sounds aufnehmen. Wir nahmen all diesen schrägen Scheiß auf, fast wie Sounddesigner das für Filme und Spiele machen, und schmissen die einfach in die Sampler und stellten sie auf eine Tonhöhe ein, die eine Tonleiter ergab und mit der wir Melodien spielen konnte. Eine Menge dieser Sounds sind einfach nur von Hand gesampelte Klänge, die dann auf ein Keyboard gelegt wurden, um im Einklang mit einer Bassgitarre oder einem Piano oder irgendwas anderem zu spielen.

Auf diese Weise entstanden damals alle Nails-Platten, und für Quake funktionierte das wirklich gut. Diese Quake-Sounds gehören immer noch zum Coolsten und Unheimlichsten; wenn man sie sich heute anhört, sind sie immer noch gut. Es passiert nicht so viel und sie haben auch nicht unnötig viele Spuren. Sounds kommen im richtigen Moment und sie bauen sich auf und schwellen an und ab. Sie bleiben wirklich subtil. Ich glaube, dass das einer der Gründe ist, warum sie heute noch gut passen. Sie sind nicht so übertrieben, dass das Ganze klischeehaft wird oder so.

KK: Was hat es mit dem Geflüster in „Hall of Souls“ auf sich?

CV: Oh ja! Mann, es ist so lange her, dass ich mir das Ganze angehört habe. Ja, das war noch was, das wir gemacht haben, wir wollten die ganze Zeit gequälte Stimmen reinbringen. Also das ist der Hauptriff vom Titelthema, und am Ende dieser Schrei – das ist Trent, und man hört es auch raus.

Beim Flüstern gibt es einen Trick: Wenn man alles selber macht, dann wirkt das überladen, weil es sich um dieselbe Klangfarbe handelt, einfach nur dieselbe Stimme übereinander. Wir stellten uns jeweils an eine Seite des Mikros und zwei andere an eine andere Seite, und dann nahmen wir diese Stimmaufnahmen und spiegelten die gesamte Audiodatei rückwärts. Mann, das hab ich alles total vergessen. Du weckst in mir die Erinnerung an all diese Sachen, ha!

KK: Wie fühlt sich das an, dass Quake mit einer offiziellen Neuveröffentlichung zurückgekehrt ist und eine neue Generation von Spielern damit in Berührung kommt?

CV: Auf gewisse Weise ist das nostalgisch, aber es ist auch cool, zu sehen, wie sich Spiele in 25 Jahren weiterentwickelt haben – technologisch, in puncto Storytelling und all das. Ich finde es cool, auf ein paar dieser klassischen Spiele zurückzublicken und sie nochmal zu erleben. Und dass neue Leute die Chance haben, Quake zu spielen, inklusive des originalen Nails-Soundtracks!

MEHR LESEN

TeilenTeilenAlle Artikel
Slayers Club

Neuste Artikel